Thomas W. Salzmann
kreativ gesehen 9 - Plump auf der Hand liegend - Locations finden
"Wo hast du das Foto denn gemacht? Was, nee gleich hier um die Ecke?!" Wer Menschen draussen portraitieren möchte steht oft genug vor der Frage welche Location sich als Hintergrund eignet. Doch wie findet man eine Location? Helmut Newton war der Meinung, dass sich Locations ganz einfach im Umkreis von max. zwei Kilometern um seine Wohnung oder sein Hotel finden ließen.
Tipp 1: Raus aus dem Auto
Laufen oder Fahrrad fahren ist nicht nur gesünder, es ist auch langsamer. So hat man Zeit den Blick schweifen zu lassen und auch mal die eine oder andere Ecke genauer zu betrachten. Ein langer Spaziergang durch Seitenstraßen des eigenen Viertels birgt durchaus Überraschungen. Es lohnt sich auch bei ungünstigem Wetter oder abends noch eine Runde zu drehen.

Eine tagsüber eher öde Bahnunterführung wandelt sich in der Nacht. Der Käfer war Glückssache, die Location keine 500m von meiner Wohnungstür entfernt.
Tipp 2: Den Blick verengen
Die Kamera hat einen eingeschränkten Blickwinkel. Ein passender Hintergrund kann also schon aus einem kleinen Ausschnitt bestehen. Ich denke da gerne an Filmkulissen, mehr braucht es nicht. Was links und rechts davon ist sieht die Kamera nicht. Ausprobieren wie ein Ort wirkt ist einfach. Entweder man hat die Kamera oder ein Foto-Handy dabei. Oder einen alten Dia-Rahmen den man vors Auge hält ... und schon ist der Blick verengt.

Nur eine Wand, etwas heruntergekommen und schon ist die Location für die ernsten Blicke fertig. Dass man an dieser Stelle auf dem Weg von der Fußgängerzone zum Bremer Hauptbahnhof vorbei kommt, sieht man ihr nicht an.
Tipp 3: Unbekannte Wege gehen
Schon jede Seitenstraße abgelaufen? Jedes Viertel erkundet? Na, gut ist auch ein bischen viel ;-) Doch wir sind Gewohntheitstiere und müssen einfach mal die eingetretenen Pfade verlassen. Einfach mal durch einen unbekannten Park oder ein Gewerbegebiet gehen. Auch Gebäude mit Dachterrassen oder Parkhäuser könnten interessant sein.

Diese enge, schattige Gasse fand sich mitten in der Bremer Innenstadt.
Tipp 4: Mit Stadtplan und Geo-Dreieck oder mit der App
Das Licht spielt natürlich eine besondere Rolle. Da die Sonne wandert - wenn sie denn mal scheint - liegen Locations oft nicht den ganzen Tag im besten Licht. Da wir alle nicht die Zeit haben dreimal täglich den Sonnenstand zu prüfen, empfiehlen sich folgende Tricks:
Eine Sonnenstands-App fürs Smartphone zeigt am einfachsten wann die Sonne im richtigen Winkel steht. Ausserdem lassen sich meist auch die Zeiten für Goldene und Blaue Stunde abrufen.
Wer lieber richtige Karten mag: Die ausgesuchte Location wird auf einer Karte (auch online) gesucht. Bekanntlich ist oben immer Norden, jedenfalls wenn man die Karte richtig herum hält. Nun kommt das Geo-Dreieck ins Spiel. Man legt es mit der Spitze nach unten auf die Karte und schieb die flache Seite an die Location heran. Die Sonne geht im Osten auf, die rechte Spitze (180°) ist also 6:00 Uhr, 90° ist 12:00 Uhr und 0° ist 18:00 Uhr. So kann man auf der Karte bereits abschätzen wann es sich lohnt eine Location aufzusuchen. Dieser Trick ist auch hilfreich im Urlaub um Sehenswürdigkeiten im besten Licht zu erwischen.

Der "analoge Weg zum Licht" - Kleines Hilfsmittel für die Planung am Schreibtisch. Ein Stadtplan und ein Geo-Dreieck genügen um die Lichtrichtung zu schätzen.
Tipp 5: Recherche
Das schöne Wort kommt vom französischen "cherche" was "suchen" bedeutet. Oft genug soll es etwas bestimmtes sein. Die Suche wird also systematischer. Eine alte Fabrik, ein Schloß oder zumindest etwas das danach aussieht. Online-Recherche ist da die eine Sache und eine feine dazu. Aber auch der Blick in die Lokalzeitung hat mich schon auf so manche Idee gebracht. Obendrein gibt es auch Datenbanken für Locations z.B. bei nordmedia für den norddeutschen Raum. Diese ist eigentlich für Film und Fernsehen gedacht. Fotografen werden dort auch fündig.

Eine beeindruckende Industriebrache. Der Hinweis darauf fand sich in der Lokalzeitung.
Im Endeffekt kommt es natürlich immer darauf an, was ihr aus der Location macht:

Venedig! Oder etwa doch Hamburg?
So nun Rechner aus und raus an die frische Luft ;-)
In "kreativ gesehen" werden in lockerer Folge praktische Beiträge rund um die Fotografie erscheinen. Im ersten Teil geht es um ein anderes Verständnis der Kamera. Die drei grundlegenden Elemente verstehe ich als Gestaltungsmittel. Das hilft beim Fotografieren die richtige Einstellung zu finden.
Diese Serie wurde ab 2010 im Blog von photog.de, so hieß salzmann-photo einmal, begonnen und wird hier in leicht überarbeiteter Form wieder zum Leben erweckt.